School
Africa

Fasching 2018

Bei der Fahrt werde ich diesmal begleitet von Martina und ihrem Sohn Gregory. Martina ist die Chefin von rehamed in Frammersbach und hat 2015 begonnen, physiotherapeutisch mit Baraka zu arbeiten (s. Reisebericht). Nach 2 Wochen harter Arbeit mit der Einführung in die grundlegenden kindlichen Bewegungen (krabbeln, robben, drehen usw.) lernte er aufrecht zu sitzen, was ein wichtiger Entwicklungsschritt war. Seit Januar ist mit Thomas Lindner ein befreundeter Physiotherapeut in Turiani und arbeitet täglich 2x mit Baraka, darauf soll aufgebaut werden. Nach dem Nachtflug mit Umsteigen in Addis Abeba sind wir am Samstag, 10.2. alle recht müde am frühen Nachmittag in Dar es Salaam angekommen.

Um nicht zu viel Zeit zu verlieren sind wir gleich nach Morogoro gefahren, wo wir übernachtet haben. Es war natürlich klar, dass wir erstmal im Waisenhaus vorbeischauen mussten, schließlich ist das einer der Anlässe für diese Reise. Die älteren Kinder kennen mich inzwischen und haben uns begeistert mit einem Lied empfangen.

Die Situation hat sich mit der Einstellung der zusätzlichen Erzieherinnen wesentlich entspannt, man merkt das den Kindern gleich an! V. a. für die Babys ist die Zahl der Betreuer aber noch nicht ausreichend. Es ist immer noch zu wenig Zeit sie kindgerecht zu versorgen, sie haben sich sehr gefreut, dass sie von uns aus den Bettchen genommen worden sind.

Am Sonntag sind wir nach dem Frühstück nochmal für 1 Stunde ins Waisenhaus gefahren, bevor wir nach Turiani weiterfuhren. Es ist mit über 30 °C schon morgens sehr heiß, glücklicherweise kühlt es in der Nacht um einige Grad ab, dass man wenigstens einigermaßen schlafen kann. Seit die Straße nach Turiani geteert ist, braucht man für die Strecke nur noch 2 Stunden, wir sind gegen Mittag gut angekommen. Baraka hat uns schon sehnsüchtig erwartet, besonders auf Martina hat er sich sehr gefreut.

Gleich nach dem Mittagessen gab es ein briefing durch Thomas,

bevor die ersten Übungseinheiten losgingen.

Mit vereinten Kräften „quälen“ die beiden Physios Baraka jeweils vormittags und abends 1 Stunde lang. Mehr geht nicht, da dies äußerst anstrengend ist und der Junge dabei über seine Schmerz- und Leistungsgrenze gehen muss! „Nimechoka“ (ich bin müde) hören wir bei jeder Übung. Nach den Vorarbeiten durch Thomas geht es an das Stehen, als Vorstufe zum Laufen, es sieht sehr viel versprechend aus! Mal sehen wie weit wir in diesen 4 Tagen kommen werden!

Marshallplan mit Afrika

Aufgeschreckt vom Flüchtlingsproblem hat der (inzwischen abgesetzte?) deutsche Entwicklungshilfeminister Dr. Gerd Müller (CSU) die bundesweite Aktion „Marshallplan mit Afrika“ ins Leben gerufen. Daran nimmt u. a. auch das Kultusministerium der bayerischen Staatsregierung teil. Ziel ist es die berufliche Bildung in den afrikanischen Ländern zu unterstützen, um die Lebensbedingungen soweit zu verbessern, damit die Jugendlichen gar nicht erst zur Flucht getrieben werden. Im Dezember gab es dazu ein Symposium, bei dem der Minister einen Aktionsplan unterzeichnet hat. Ich war dabei und habe auch am folgenden Vorbereitungsseminar der Berufsschullehrer teilgenommen. Im Januar gab es eine weitere Fortbildung auf dem konkrete Maßnahmen im Bereich der Energietechnik mit dem Schwerpunkt der solaren Energiegewinnung besprochen worden sind. Da wir in Uomboni die Hugo-Mill-Berufsschule betreiben, an der auch Elektriker ausgebildet werden, liegt es nahe, dass ich sehr gut meine Erfahrungen einbringen konnte. Ich habe es mir dann auch zur Aufgabe gemacht, gewissermaßen als Pilotprojekt den Energietrainer und den Solarstromkoffer in Tansania vorzustellen und auszuprobieren. Während Martina und Thomas ihre Arbeit machten bereiteten Gregory und ich unsere Mission in der Secondary School (Gymnasium) Turiani vor. Im Rahmen des dortigen Physikunterrichts ist Energie und Stromtechnik ein wichtiger Lerninhalt. An der Schule gibt es aber, wie bei den meisten Secondary Schools, keinen Strom. Als uns die Lehrer ihr Lernmaterial ausgebreitet haben, war klar, dass dieser Lerninhalt damit lediglich theoretisch umgesetzt werden kann. Mit einer einfachen Batterie ist es kaum möglich das Thema Strom umfassend zu erschließen.

Was ist ein Stromkreis? Wie zeichne ich einen Stromkreis auf? Was bedeutet der Begriff „Elektrischer Widerstand“? Welche Energie verbraucht eine Energiesparlampe im Gegensatz zur LED Leuchte?

Kann ein PV Modul ausreichend Energie liefern? Diese und viele weitere Fragen sollen mit den beiden Geräten erarbeitet werden.

Die Physiklehrer waren begeistert, was sie mit den Materialien alles anfangen können! Leider haben die Entwickler nicht mit der Hitze gerechnet, denn schon nach ganz kurzer Zeit sind die Kleber der Magnete geschmolzen und die Batterie ist zu heiß geworden. Ich denke es war trotzdem ein Erfolg und das Ausprobieren unter realen Bedingungen hatte seinen Sinn.

Während wir in der Schule waren, gingen daheim bei Baraka die Therapieübungen weiter. Es ist für alle Beteiligten eine harte Arbeit.

Baraka hat an Gewicht zugelegt, das macht es für die Therapeuten bei den Stehübungen nicht leichter. Aber auch Baraka muss mit seinen untrainierten Muskeln viel Kraft aufbringen, was ihn schnell erschöpfen lässt. Aus diesem Grund gibt es nur jeweils am späten Vormittag und am Abend eine lange Therapieeinheit mit „Kraftübungen“. Gearbeitet wird über und unter dem Tisch, das Stehen will geübt sein!

Aber es scheint vielversprechend zu sein, denn Martina und Thomas sind sehr zufrieden mit Baraka. Das zeigt sich dann auch beim 1. Versuch mit dem Gehwagen. Die Kraft zum Stehen hat sich verbessert, jetzt geht es darum, dass Baraka den tatsächlichen Bewegungsablauf beim Laufen erlernt und abspeichert.

Die Bewegungen sind zunächst noch unkoordiniert, es wird aber immer besser und während den Nachmittagsübungen hat es bei ihm irgendwie Klick gemacht, er hat verstanden was er beim Laufen tun soll. Das war hoffnungsvoll und so wurde beschlossen, dass es morgen zu einem Hotel geht, bei dem ein Rundlauf ums Gebäude möglich ist. Für Baraka muss das in etwa so sein, als wenn er in einem großen Stadion antreten müsste.

Es war schon ein Ereignis: der Gehwagen kam ins Auto und es ging mit großem Gefolge zum Hotelplatz. Hier ist es möglich, ohne Unterbrechung längere Strecken zu laufen, das wird das Abspeichern der Bewegungsmuster vertiefen und ist auch ein sehr emotionales Erlebnis für Baraka.

Es hat dann auch nicht lange gedauert, bis wir den Eindruck hatten „Jetzt hat ers!“ Thomas und Martina mussten nur noch korrigieren, die Kraft und Bewegung kamen von Baraka selbst!

Wir konnten zu dem Zeitpunkt nur staunen, aber Baraka wollte vor lauter Freude gar nicht mehr aufhören, er konnte gar nicht glauben, dass er das ist, der da läuft.

Am Ende hat er eine Strecke von 500 m an einem Stück bewältigt, schaut selbst in welchem Tempo er zuletzt unterwegs war! Für Martina war das bestes Marathon Training!

Ich glaube jeder kann sich vorstellen was in uns allen vorging. Es war Euphorie pur, ich habe selten solche Glücksmomente erleben dürfen wie an diesem Tag!

Martina hat dazu die folgenden Zeilen geschrieben:

Baraka - was für ein tolles Kind

Vor drei Jahren kam Werner zu mir und fragte mich vorsichtig, ob es für mich vorstellbar ist, ein körperlich behindertes Kind zu behandeln.
Klar, ist kein Problem, dachte ich.
Nachdem ich das Video von Baraka gesehen hatte, war ich dann doch etwas skeptisch.
Ein Kind in diesem Zustand und vor allem in seinem Alter, er war damals 8 Jahre alt, bekommt man in Deutschland nicht zur Therapie.
Er war muskulär sehr schlaff und seine Aktivitäten glichen eher dem eines 2 Monate alten Säuglings!
Aber egal, wir hatten beide nichts zu verlieren! Im Gegenteil, wir konnten nur gewinnen, vor allem Lebensqualität für diesen unglaublich tollen Jungen und auch für die ziemlich traurigen Eltern.

Schon nach dem ersten Besuch der Familie in Deutschland war das Ergebnis gigantisch.
Nach 2 Wochen täglicher Therapie reiste er ab und konnte frei sitzen.
und das, nachdem er die ersten Jahre mehr oder weniger in Bauch- oder Rückenlage liegend zugebracht hatte!
Heute, drei Jahre später, sind wir in einem Gehwagen über 500 Meter weit gelaufen!
Es war ein unglaublich starkes Glücksgefühl, das mich in dem Moment so tief berührt und zu Tränen gerührt hat; dies habe ich auch in Barakas Augen gesehen.
Das macht so glücklich, es ist unbeschreiblich!
Alle Therapeuten, die Werner Friedel durch sein stetes und uneingeschränkt von Herzen kommendes Engagement gebeten hat, mit Baraka zu arbeiten, haben das erreicht, genauso wie die Eltern, die alles getan haben, was wir Therapeuten ihnen als Aufgaben mitgegeben haben und so immer mit ihrem Sohn versuchten, an dem erreichten Stand festzuhalten.
Es erfüllt mich mit tiefem Glück, dass Werner Friedel mir das ermöglicht hat und ich an seinem persönlichen Projekt teilnehmen durfte.
Und ich danke Baraka, genauso wie seinen Eltern für ihr Vertrauen in mich und meine Arbeit.

Es kommt jetzt darauf an, dass Baraka regelmäßig übt, um das Erlernte unauslöschlich zu festigen. Er wird diese neuen Bewegungsmuster dann von sich aus anwenden können. Thomas ist noch vor Ort, geht aber zunächst auf den Kilimanjaro und wird anschließend noch 2 Wochen mit Baraka arbeiten. Wir diskutieren gerade die Möglichkeit, ihn im Juni nochmal nach Deutschland zu holen, um mit weiteren Maßnahmen die Entwicklung von Baraka zu fördern.

Warum haben wir so viel Aufwand betrieben um Baraka zu helfen? Natürlich ist da zunächst das Kind, das ohne unsere Unterstützung wahrscheinlich auch heute noch nicht sitzen könnte. Aber es geht auch darum, anderen betroffenen Eltern ein Zeichen der Hoffnung zu geben, dass man behinderte Kinder durchaus fördern und ihnen dadurch ein würdiges Leben ermöglichen kann. Ich weiß von einigen Eltern mit behinderten Kindern, dass sie die Entwicklung von Baraka aufmerksam verfolgen. Wir wissen sehr gut, dass die Ressourcen in diesem Land nur sehr begrenzt vorhanden sind, deshalb befassen wir uns mit Plänen, wie wir in unserem Rahmen eine Verbesserung erreichen können. Es gibt vielversprechende Ansätze, mal sehen was daraus wird. Sicher hört ihr noch davon!